… und
das kam so, meine Nichte Nicky zog mit siebzehn etwa zweimal im Monat
samstags mit ihrer Clique los in eine Gemeindedisco. Da ich irgendwie
ein sehr neugieriger Mensch bin und Nicky gern habe und wir uns
meistens auch gut verstehen, meinte ich eines Samstagsnachmittag:
„Du, nimmst Du mich heute Abend mal mit. Die heutige Disco einer
Kirchengemeinde würde mich schon interessieren. Bei mir ist das
jetzt schon über dreißig Jahre her, dass ich in so einer Disco
war.“ - Sie schaute mich etwas schräg an und meinte dann: „Eh,
Du willst mitkommen. Na ja, warum eigentlich nicht. Is ja eigentlich
cool. Hab noch nie einen Erwachsenen da gesehen. Na ja, bis auf die
Türsteher.“
Sie
holte mich um zwanzig Uhr ab und wir gingen zur Straßenbahn. Nach
kurzem Warten kam sie auch schon. Drinnen saßen schon zwei Mädels
und ein Junge. Wir konnten nicht direkt zusammen sitzen, nach ein
paar Minuten meinte Nicky, sie würde mal kurz zu den anderen gehen.
Als sie sich dann wieder neben mich setzte: „Du Conny, macht Dir
das eigentlich was wenn ich den anderen sage, dass Du meine Oma
bist?“ - „Waaas, wieso denn das? Seh' ich denn wie eine Oma aus?“
- „Na ja, nicht so direkt. Aber immerhin haste graue Haare und
einen Hut auf.“ Den Hut hatte ich wohlweislich zur Tarnung dabei.
„Also, meinetwegen. Was soll's...“ Als sie dann das nächste Mal
von ihren Freundinnen zurück kam, meinte sie nur: „Die finden die
Idee uncool...“
Am
Luisenplatz angekommen, stiegen wir aus. An einem der
Haltestellenhäuschen standen schon eine ganze Menge Jugendlicher
herum. Einige mit größeren Flaschen in der Hand. Ich versuchte ein
bisschen genauer hinzusehen, was auf dem Etikett steht und glaubte
das Wort 'Wodka' zu entziffern. Die Flasche machte die Runde, der
Bursche schaute mich fragend an und ich schüttelte nur kurz den
Kopf. 'Aha, es lief tatsächlich so, wie ich es schon mehrfach gehört
hatte.' - „Sie - Du kannst ruhig auch was trinken, wir dürfen das
eh nicht in die Disco rein nehmen.“ - 'Na, was für ein Glück',
dachte ich.
Als die
richtige Straßenbahn kam stiegen wir alle ein, ich schaute mich und
sah, wirklich nur Teenies und ich Oldie dazwischen. Ich zog meinen
Hut noch tiefer in die Stirn. An der Gemeinde angekommen stiegen wir
alle aus und die Straßenbahn fuhr leer weiter.
Der
Gemeindehof wurde schon von ca. 70 jungen Leuten belagert, die mehr
oder minder gelangweilt vor einer größeren Tür anstanden. Ich
stellte mich dazu, Nicky sprang mit ein paar anderen auf dem Hof rum
und kam ab und zu: „Gell, Du hältst mir hier einen Platz frei. Wir
müssen ja nicht beide anstehen.“ Die Leute um mich herum wurden
allmählich ein bisschen neugierig: „Sind Sie vom Amt hier?“ -
„Nein, ich bin mit meiner Nichte hier. Von welchem Amt sollte ich
denn kommen?“ - „Na ja, um das hier zu kontrollieren. War glaub
ich schon mal jemand da. Hier gibt’s nicht genug Fluchtwege.“ -
„Ach so, das ist wirklich schlecht. Ist allerdings nicht meine
Arbeit.“ Plötzlich wurde ich etwas unsanft von der Seite
angerempelt. Mein Kurzgesprächspartner herrschte den Typ an:
„Mensch, was soll'n das.“ Der andere trollte sich wieder. „Der
ist wahrscheinlich schon blau, der verträgt nix...“
Nach
einer gefühlten Stunde schloss jemand die Eingangstür auf und wir
bewegten uns ganz langsam darauf zu. Plötzlich stand ein junger Mann
von Anfang zwanzig neben mir: „Sind Sie zum kontrollieren
gekommen?“ - „Nein, ich möchte mich nur mal kurz umsehen, wie
eine Disco heute aussieht.“ Die Musik hatte ich bereits eine
zeitlang 'genossen'. „Dann muss ich erst mal hören, ob das geht.“
- „Ja wieso denn nicht, wenn ich kurz drinnen war bin ich auch
gleich wieder weg.“ Was dachte der eigentlich? Er hielt Rücksprache
mit drei anderen jungen Männer und ich bekam die Genehmigung,
verbunden mit dem Hinweis: „Sie können rein, aber wenn Sie drinnen
sind übernehmen wir keine Verantwortung, falls etwas passiert?“ -
'Was sollte schon passieren?' Ich ging mit meiner Nichte – nachdem
wir unseren Eintritt bezahlt hatten – in die unerträglich
wummernde, zuckende und blitzende „Discohölle“. Sie war
natürlich ruckzuck im Keller und erst einmal verschwunden, typisch.
Ich schaute kurz in den Raum, konnte sie natürlich nicht gleich
sehen und beschloss den Rücktritt anzutreten und nix wie weg. Da
tauchte sie auch wieder auf: „Komm wir gehen was trinken.“ -
„Nee, ich geh jetzt wieder.“ - „Was, so schnell.“ - „Ja,
das hier ist wirklich nichts mehr für mich. Ich wünsche euch noch
einen tollen Abend!“
Wieder
vor der Tür, habe ich erst mal tief Luft geholt.
Hallo liebe Conny,
AntwortenLöschenich stand die ganze Zeit an Deiner Seite und hab total mit Dir gefühlt. War ganz schön unbehaglich, oder?
Das erinnert mich an eine ähnliche Geschichte. Unser Sohn war vielleicht 15 Jahre alt und wir waren gemeinsam im Urlaub. Im Hotel gab es eine Disco im Keller. Mein Mann meinte, wir sollten doch alle mal hingehen. Unser Sohn schaut schon etwas skeptisch. Als mein Mann dort dann auf einen Stuhl mit Rollen Quatsch machte, hin und her rollte und auch noch aus Versehen damit umkippte, erklärte uns unser Sohn: Mit Euch gehe ich nicht mehr in die Disco! Punktum und fertig! Das ist ja total peinlich. - Klar es hatten ja auch ein paar Mädchen zugeschaut und angefangen zu lachen :-)
LG
Astrid
P.S. Da es mir bei Dir gefällt, trage ich Dich jetzt gleich in meine Blogroll ein.
Liebe Astrid,
Löschenentschuldige, dass ich erst jetzt antworte. Ich war ein paar Tage im Urlaub und hatte keinen Internet Anschluss.
Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. So geht es, wenn man neugierig ist und nicht bedenkt, dass Jugendliche lieber ohne die "Alten" los ziehen. Ich hätte das umgekehrt auch nicht gewollt.
Viele Grüße
Conny