Donnerstag, 17. März 2016

Von einer, die auszog für etwa zwei Stunden das Leben „der“ Jugend zu erkunden

und das kam so, meine Nichte Nicky zog mit siebzehn etwa zweimal im Monat samstags mit ihrer Clique los in eine Gemeindedisco. Da ich irgendwie ein sehr neugieriger Mensch bin und Nicky gern habe und wir uns meistens auch gut verstehen, meinte ich eines Samstagsnachmittag: „Du, nimmst Du mich heute Abend mal mit. Die heutige Disco einer Kirchengemeinde würde mich schon interessieren. Bei mir ist das jetzt schon über dreißig Jahre her, dass ich in so einer Disco war.“ - Sie schaute mich etwas schräg an und meinte dann: „Eh, Du willst mitkommen. Na ja, warum eigentlich nicht. Is ja eigentlich cool. Hab noch nie einen Erwachsenen da gesehen. Na ja, bis auf die Türsteher.“
Sie holte mich um zwanzig Uhr ab und wir gingen zur Straßenbahn. Nach kurzem Warten kam sie auch schon. Drinnen saßen schon zwei Mädels und ein Junge. Wir konnten nicht direkt zusammen sitzen, nach ein paar Minuten meinte Nicky, sie würde mal kurz zu den anderen gehen. Als sie sich dann wieder neben mich setzte: „Du Conny, macht Dir das eigentlich was wenn ich den anderen sage, dass Du meine Oma bist?“ - „Waaas, wieso denn das? Seh' ich denn wie eine Oma aus?“ - „Na ja, nicht so direkt. Aber immerhin haste graue Haare und einen Hut auf.“ Den Hut hatte ich wohlweislich zur Tarnung dabei. „Also, meinetwegen. Was soll's...“ Als sie dann das nächste Mal von ihren Freundinnen zurück kam, meinte sie nur: „Die finden die Idee uncool...“
Am Luisenplatz angekommen, stiegen wir aus. An einem der Haltestellenhäuschen standen schon eine ganze Menge Jugendlicher herum. Einige mit größeren Flaschen in der Hand. Ich versuchte ein bisschen genauer hinzusehen, was auf dem Etikett steht und glaubte das Wort 'Wodka' zu entziffern. Die Flasche machte die Runde, der Bursche schaute mich fragend an und ich schüttelte nur kurz den Kopf. 'Aha, es lief tatsächlich so, wie ich es schon mehrfach gehört hatte.' - „Sie - Du kannst ruhig auch was trinken, wir dürfen das eh nicht in die Disco rein nehmen.“ - 'Na, was für ein Glück', dachte ich.
Als die richtige Straßenbahn kam stiegen wir alle ein, ich schaute mich und sah, wirklich nur Teenies und ich Oldie dazwischen. Ich zog meinen Hut noch tiefer in die Stirn. An der Gemeinde angekommen stiegen wir alle aus und die Straßenbahn fuhr leer weiter.
Der Gemeindehof wurde schon von ca. 70 jungen Leuten belagert, die mehr oder minder gelangweilt vor einer größeren Tür anstanden. Ich stellte mich dazu, Nicky sprang mit ein paar anderen auf dem Hof rum und kam ab und zu: „Gell, Du hältst mir hier einen Platz frei. Wir müssen ja nicht beide anstehen.“ Die Leute um mich herum wurden allmählich ein bisschen neugierig: „Sind Sie vom Amt hier?“ - „Nein, ich bin mit meiner Nichte hier. Von welchem Amt sollte ich denn kommen?“ - „Na ja, um das hier zu kontrollieren. War glaub ich schon mal jemand da. Hier gibt’s nicht genug Fluchtwege.“ - „Ach so, das ist wirklich schlecht. Ist allerdings nicht meine Arbeit.“ Plötzlich wurde ich etwas unsanft von der Seite angerempelt. Mein Kurzgesprächspartner herrschte den Typ an: „Mensch, was soll'n das.“ Der andere trollte sich wieder. „Der ist wahrscheinlich schon blau, der verträgt nix...“
Nach einer gefühlten Stunde schloss jemand die Eingangstür auf und wir bewegten uns ganz langsam darauf zu. Plötzlich stand ein junger Mann von Anfang zwanzig neben mir: „Sind Sie zum kontrollieren gekommen?“ - „Nein, ich möchte mich nur mal kurz umsehen, wie eine Disco heute aussieht.“ Die Musik hatte ich bereits eine zeitlang 'genossen'. „Dann muss ich erst mal hören, ob das geht.“ - „Ja wieso denn nicht, wenn ich kurz drinnen war bin ich auch gleich wieder weg.“ Was dachte der eigentlich? Er hielt Rücksprache mit drei anderen jungen Männer und ich bekam die Genehmigung, verbunden mit dem Hinweis: „Sie können rein, aber wenn Sie drinnen sind übernehmen wir keine Verantwortung, falls etwas passiert?“ - 'Was sollte schon passieren?' Ich ging mit meiner Nichte – nachdem wir unseren Eintritt bezahlt hatten – in die unerträglich wummernde, zuckende und blitzende „Discohölle“. Sie war natürlich ruckzuck im Keller und erst einmal verschwunden, typisch. Ich schaute kurz in den Raum, konnte sie natürlich nicht gleich sehen und beschloss den Rücktritt anzutreten und nix wie weg. Da tauchte sie auch wieder auf: „Komm wir gehen was trinken.“ - „Nee, ich geh jetzt wieder.“ - „Was, so schnell.“ - „Ja, das hier ist wirklich nichts mehr für mich. Ich wünsche euch noch einen tollen Abend!“
Wieder vor der Tür, habe ich erst mal tief Luft geholt.

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Conny,
    ich stand die ganze Zeit an Deiner Seite und hab total mit Dir gefühlt. War ganz schön unbehaglich, oder?
    Das erinnert mich an eine ähnliche Geschichte. Unser Sohn war vielleicht 15 Jahre alt und wir waren gemeinsam im Urlaub. Im Hotel gab es eine Disco im Keller. Mein Mann meinte, wir sollten doch alle mal hingehen. Unser Sohn schaut schon etwas skeptisch. Als mein Mann dort dann auf einen Stuhl mit Rollen Quatsch machte, hin und her rollte und auch noch aus Versehen damit umkippte, erklärte uns unser Sohn: Mit Euch gehe ich nicht mehr in die Disco! Punktum und fertig! Das ist ja total peinlich. - Klar es hatten ja auch ein paar Mädchen zugeschaut und angefangen zu lachen :-)
    LG
    Astrid
    P.S. Da es mir bei Dir gefällt, trage ich Dich jetzt gleich in meine Blogroll ein.

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    1. Liebe Astrid,
      entschuldige, dass ich erst jetzt antworte. Ich war ein paar Tage im Urlaub und hatte keinen Internet Anschluss.
      Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat. So geht es, wenn man neugierig ist und nicht bedenkt, dass Jugendliche lieber ohne die "Alten" los ziehen. Ich hätte das umgekehrt auch nicht gewollt.
      Viele Grüße
      Conny

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